Verschiedene Ratschläge, um die Seele durch das Gebet und die Sakramente zu Gott zu erheben
Zweiter Teil
     
 

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18. Kapitel
Die Einsprechungen.

Einsprechungen nennen wir die inneren Antriebe, Regungen und Mahnungen, die Gewissensbisse, das Licht und die Erkenntnisse, die Gott in uns bewirkt. Er kommt unserem Herzen in seiner väterlichen Liebe und Sorge mit seinen Segnungen zuvor (Ps 21,3), um uns zu den heiligen Tugenden anzuspornen, zur göttlichen Liebe, zu guten Entschlüssen anzuregen und zu drängen: mit einem Wort zu allem, was unserem ewigen Heil frommt. Das nennt der göttliche Bräutigam „an die Tür klopfen“(Hld 2,5), dem Herzen der Braut zusprechen (Jes 40,2; Hos 2,14), sie aufwecken, wenn sie schläft (Hld 5,2), sie rufen und wieder rufen, wenn sie abwesend ist (ebd. 2,10ff), sie zum Honig, zum Pflücken der Äpfel und Blumen im Garten einladen (ebd. 5,1; 6,1), singen und seine liebliche Stimme an ihr Ohr dringen lassen (ebd. 2,14).
Zu einer Eheschließung sind für ein Mädchen, das heiraten will, drei Dinge notwendig: erstens schlägt man ihr einen Mann vor, zweitens billigt es den Vorschlag, drittens nimmt es ihn an.
Wenn Gott in uns, durch uns und mit uns ein großes Werk der Liebe vollbringen will, dann schlägt er es uns zuerst durch die Einsprechung vor, wir heißen es gut und schließlich stimmen wir zu. Wie wir zur Sünde auf drei Stufen hinabsteigen – durch die Versuchung, die Freude an ihr und endlich die Zustimmung, – so steigen wir auch auf drei Stufen zur Tugend empor: durch die Einsprechung, die das Gegenstück zur Versuchung ist, durch die Freude an der Einsprechung, das Gegenstück zur Freude an der Versuchung, und schließlich durch die Zustimmung zur Einsprechung, die das Gegenstück zur Einwilligung in die Versuchung ist.
Hielte eine Einsprechung die ganze Zeit unseres Lebens an, so wären wir Gott doch keineswegs wohlgefällig, wenn wir an ihr keine Freude hätten. lm Gegenteil, das wäre eine Beleidigung der göttlichen Majestät gleich jener, als Gott die Israeliten 40 Jahre lang zur Bekehrung aufrief und sie nicht hören wollten, so dass er in seinem Zorn schwur: „Nicht sollen sie in meine Ruhestätte kommen“ (Ps 95,11). – Wenn ein Mann einem Mädchen lang seine Zuneigung gezeigt, ohne dass es von einer Ehe schließlich etwas wissen wollte, dann wäre er darüber gewiss sehr ungehalten.
Die Freude an den göttlichen Einsprechungen ist schon ein großer Schritt zur Verherrlichung Gottes. Dadurch beginnt man der göttlichen Majestät wohlgefällig zu sein; denn bedeutet diese Freude auch noch nicht völlige Zustimmung, so liegt darin doch eine gewisse Geneigtheit dazu. Denn wie es ein gutes Zeichen und sehr nützlich ist, wenn man gern das Wort Gottes als äußere Einsprechung hört, so ist es doch auch gut und Gott wohlgefällig, wenn man an inneren Einsprechungen Freude hat. Von dieser Freude spricht die heilige Braut: „Meine Seele ist zerflossen, als mein Geliebter sprach“ (Hld 5,4). So ist auch ein junger Mann sehr zufrieden und fühlt sich glücklich, wenn das Mädchen, dem er huldigt, sich über seine Aufmerksamkeit freut.
Den Tugendakt macht aber schließlich erst die Zustimmung. Es wäre grober Undank und eine Beleidigung der göttlichen Majestät, wenn wir eine Einsprechung erhielten, uns daran freuten, aber die Zustimmung verweigerten. Das erweckte den Anschein, dass wir die Einsprechung gering schätzen. So geschah es der Braut des Hoheliedes: obwohl die liebliche Stimme des Bräutigams ihr Herz mit Freude erfüllte, öffnete sie ihm nicht unter einem nichts sagenden Vorwand; darauf verließ sie der Bräutigam in berechtigtem Zorn (Hld 5,6). – Wollte ein Mädchen die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes lange Zeit annehmen, schließlich aber seine Werbung abweisen und übergehen, dann hätte er mehr Grund zur Unzufriedenheit, als wären seine Aufmerksamkeiten niemals angenommen und begünstigt worden.
Sei entschlossen, alle Einsprechungen gern anzunehmen, die Gott dir zu geben beliebt. Nimm sie auf als Gesandte des himmlischen Königs, der um dich wirbt. Höre ruhigen Gemütes seine Vorschläge, erwäge die Liebe, aus der sie gegeben sind, und freue dich seiner Einsprechungen. Dann stimme der Eingebung mit ganzer Seele voll Liebe und Beharrlichkeit zu. So wird Gott, den du anders nicht verpflichten kannst, sich deiner Liebe verpflichtet fühlen.
Bevor du aber Einsprechungen zustimmst, die wichtige und außergewöhnliche Dinge enthalten, berate dich mit deinem Seelenführer, um nicht getäuscht zu werden. Er soll prüfen, ob die Einsprechung echt oder falsch ist. Denn der böse Feind versucht oft Seelen zu täuschen, die bereitwillig den Einsprechungen folgen; das gelingt ihm aber nicht bei einer Seele, die ihrem Seelenführer demütig gehorcht.
Hast du deine Zustimmung gegeben, dann musst du mit großer Sorgfalt an die Verwirklichung und Ausführung der Einsprechungen gehen; das erst ist ja der Gipfel der echten Tugend, denn die Zustimmung im Herzen tragen, ohne sie zu verwirklichen, hieße einen Weinberg pflanzen, ohne zu wollen, dass er Frucht bringt.
Zu all dem dient vorzüglich die gute Übung des Morgengebetes und der geistlichen Einkehr, wie ich sie oben beschrieben habe. Durch sie bereiten wir uns nicht nur allgemein, sondern im Besonderen vor, das Gute zu tun.

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