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7. Kapitel
Wie man bei der Übung der Demut den guten Ruf wahrt.
Lob, Ehre und Ruhm fallen den Menschen nicht für eine einfache, sondern nur für eine hervorragende Tugend zu. Durch das Lob wollen wir andere von der Vortrefflichkeit eines Menschen überzeugen und sie zur Hochschätzung für ihn bewegen. Durch die Ehre, die wir ihm erweisen, bekennen wir, dass wir selbst ihn hochschätzen. Der Ruhm ist meines Erachtens nichts anderes als ein bestimmter Glanz im Ruf eines Menschen, der aus dem Zusammenklingen vieler Lobsprüche und Ehrungen entsteht. Der Ruhm geht also aus der Häufung von Lob und Ehrungen hervor, wie der Glanz aus der Häufung kostbarer Steine sprüht.
Da nun die Demut nicht zulässt, dass wir uns hervortun oder anderen vorgezogen werden wollen, so kann sie auch nicht zulassen, dass wir Lob, Ehre und Ruhm suchen, die nur den Vortrefflichen zustehen. Wohl aber stimmt sie der Mahnung des Weisen zu, auf unseren Ruf zu achten (Sir 41,12). Der gute Ruf beruht ja nicht auf hervorragenden Eigenschaften, sondern auf einer gewöhnlichen, schlichten Anständigkeit und Rechtschaffenheit. Die Demut hindert aber niemand, uns diese Eigenschaften zuzuschreiben, noch dass wir diesen Ruf von anderen anerkannt wissen wollen. Die Demut würde wohl den guten Ruf verachten, wenn die Liebe ihn nicht bräuchte, denn er ist eine der Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft. Ohne ihn wären wir für die Gesellschaft nicht nur unnütz, sondern sogar schädlich durch das Ärgernis, das wir erregten. Daher fordert die Liebe, dass wir unseren guten Ruf bejahen und ihn sorgfältig hüten, und die Demut stimmt dem zu.
Die Blätter eines Baumes haben an sich keinen besonderen Wert; trotzdem tragen sie nicht nur zur Schönheit des Baumes bei, sondern schützen auch die Früchte, solange diese noch zart sind. So ist auch der gute Ruf an sich nichts besonders Begehrenswertes, aber er ist doch sehr nützlich, nicht nur als Zierde unseres Lebens, sondern weil er auch unsere Tugenden schützt, besonders wenn sie noch zart und schwach sind. Die Verpflichtung, unseren Ruf zu wahren und das zu sein, wofür man uns hält, übt auf ein hochherziges Gemüt einen mächtigen, wenngleich milden Zwang aus.
Wahren wir also unsere Tugenden, weil sie Gott, dem erhabenen und höchsten Ziel all unseres Tuns, wohlgefällig sind! Will man Früchte aufbewahren, so konserviert man sie nicht nur, sondern gibt sie außerdem in geeignete Gefäße. So ist es wohl in erster Linie Aufgabe der Liebe zu Gott, in uns das Tugendleben zu bewahren, doch können wir uns auch des guten Rufes als geeignetes und brauchbares Gefäß zu diesem Zweck bedienen.
Wir dürfen aber nicht hitzig, übergenau und kleinlich auf unseren Ruf bedacht sein. Wer überempfindlich um seinen Ruf besorgt ist, gleicht denen, die bei der geringsten Unpässlichkeit gleich Medizin einnehmen. Sie wollen ihre Gesundheit erhalten, in Wirklichkeit aber zerstören sie diese nur. So werden auch jene ihren guten Ruf ganz einbüßen, die so ängstlich besorgt sind, ihn zu wahren; denn durch diese Überempfindlichkeit werden sie wunderlich, starrköpfig, unausstehlich und fordern die Bosheit der bösen Zungen heraus.
Beleidigungen und Verleumdungen übersehen und verachten, hilft meist mehr gegen sie als Ärger, Streit und Rache. Die Verachtung macht sie unwirksam; wird man aber zornig, so scheint man ihnen eine gewisse Berechtigung zuzugestehen. Krokodile schaden nur denen, die sie fürchten, und die üble Nachrede nur solchen, die sich darüber aufregen.
Übermäßige Furcht, den guten Ruf zu verlieren, bezeugt ein großes Misstrauen gegen seine Grundlagen, die in einem wirklich guten Leben bestehen. In Städten, wo Holzbrücken über die Flüsse führen, muss man bei jedem Hochwasser fürchten, dass sie fortgerissen werden; bei Steinbrücken dagegen braucht man nur außergewöhnlich schwere Überschwemmungen zu fürchten. So fürchtet auch eine christliche Seele für gewöhnlich nicht den Redeschwall böser Zungen; wer aber seinen Ruf schwach begründet weiß, dem bereitet alles Unruhe. Wer einen guten Ruf bei allen haben will, der verliert ihn bei allen; und wer auch bei lasterhaften und gewissenlosen Menschen gut angesehen sein will, verdient es, seinen ehrlichen Ruf zu verlieren.
Der gute Ruf ist nur ein Wahrzeichen, das anzeigt, wo die Tugend wohnt; die Tugend selbst muss ihm in allem und überall vorgezogen werden. Wenn man also sagt, du seist ein Heuchler, weil du fromm sein willst, wenn man dich für feige hält, weil du Beleidigungen verzeihst, so lache darüber! Denn erstens werden solche Urteile von albernen und dummen Leuten gefällt, zweitens darf man nicht von der Tugend lassen, selbst wenn der gute Ruf verloren ginge; die Frucht ist doch den Blättern, das innere und geistige Gut den äußeren Gütern vorzuziehen. Wir müssen für unseren Ruf sorgen, dürfen ihn aber nicht vergöttern; gewiss sollen wir in den Augen der Guten nicht missfallen, wir dürfen aber nicht danach fragen, ob wir den Schlechten gefallen. Der Bart ist eine Zierde des Mannes, das Haar eine Zierde der Frau; reißt man die Haare aus, dann werden sie kaum wieder nachwachsen, schneidet oder rasiert man sie nur ab, dann kommen sie wieder, noch dichter und stärker. So brauchen wir uns auch nicht zu beunruhigen, wenn unser Ruf durch böse Zungen gleich scharfen Rasiermessern, wie David (Ps 52,2) sagt, abgeschnitten oder wegrasiert wird; er wird wiederkommen, schöner und kräftiger als vorher. Haben uns aber Laster, Feigheit oder schlechtes Leben den Ruf geraubt, so ist er schwerlich wieder herzustellen, denn seine Wurzeln sind ausgerissen. Die Wurzeln des guten Rufes sind Güte und Rechtschaffenheit; solange sie in uns sind, können sie immer die uns gebührende Ehre neu erstehen lassen.
Eine sinnlose Unterhaltung, eine unnötige Beschäftigung, eine leichtfertige Freundschaft, einen anrüchigen Bekanntenkreis muss man aufgeben, wenn sie dem Ruf schaden, denn der gute Ruf ist mehr wert als jede leere Befriedigung. Schimpft man aber über uns, verleumdet man uns wegen unseres Strebens nach Frömmigkeit, nach geistlichem Fortschritt und nach den ewigen Gütern, dann lassen wir doch ruhig die Hunde den Mond anbellen! Wenn es ihnen auch gelingt, unseren Ruf zu schädigen, uns sozusagen Haare und Bart abzuschneiden, so wird er doch wiederkommen und das Messer der üblen Nachrede wird unserer Ehre dienen, wie das Winzermesser dem Weinstock, der um so reichere Frucht trägt.
Richten wir unsere Augen immer auf den gekreuzigten Jesus. Unser Leben in seinem Dienst soll vertrauensvoll und einfach sein, gleichzeitig aber weise und taktvoll. Er wird unseren Ruf schützen; und wenn er zulässt, dass dieser uns genommen wird, dann tut er es nur, um uns einen noch besseren Ruf zu geben oder um uns in der heiligen Demut zu fördern, von der eine Unze mehr wert ist als tausend Pfund Ehre.
Tadelt man uns ungerechter Weise, so setzen wir der Verleumdung in Ruhe die Wahrheit entgegen; bleibt man beim Tadel, so bleiben wir in Demut und vertrauen Gott mit unserer Seele auch unseren Ruf an; wir können ihn nicht besser sichern. Dienen wir Gott nach dem Vorbild des hl. Paulus (2 Kor 6,8) durch den guten wie durch den schlechten Ruf, damit wir wie David beten können: „Mein Gott, für Dich hat Schamröte mein Antlitz bedeckt“ (Ps 69,8). Ich nehme aber gewisse Verbrechen aus, die so grauenhaft und schrecklich sind, dass niemand eine solche Verleumdung auf sich ruhen lassen darf, wenn er sich davon mit Recht freisprechen kann. Ich nehme auch bestimmte Personen aus, von deren Ruf die Erbauung vieler abhängt; in diesem Fall muss man ruhig die Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts nach der Weisung der Theologen fordern.
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