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1. Kapitel
Man darf sich nicht um das Gerede der Kinder dieser Welt
kümmern.
Sobald die weltlich Gesinnten merken, dass du ein frommes Leben zu führen beginnst, werden sie ihre Zungen über dich wetzen. Schlechte Menschen werden sagen, das alles sei nur Heuchelei, Betschwesterei und Verstellung, oder auch, du seist von der Welt enttäuscht und nur deswegen zu Kreuze gekrochen. Gute Freunde wieder werden sich verpflichtet fühlen, dir eine Menge ihrer Ansicht nach gescheiter und gut gemeinter Warnungen zukommen zu lassen: „Du wirst ganz trübsinnig werden; man wird dir kein Vertrauen mehr schenken; du wirst unausstehlich, wirst vor der Zeit altern, deine häuslichen Angelegenheiten werden darunter leiden; man kann in den Himmel auch ohne diese Geschichten kommen; wenn man schon in der Welt lebt, muss man auch leben wie die Welt ...“ und so fort.
Das alles ist dummes und leeres Geschwätz. Diesen Leuten ist es weder um deine Gesundheit noch um deine Interessen zu tun. „Wäret ihr von der Welt“, sagt der Heiland, „dann würde die Welt lieben, was von ihr ist; weil ihr aber nicht von der Welt seid, deswegen hasst sie euch“ (Joh 15,19). Man sieht Männer und Frauen die ganze Nacht oder sogar mehrere Nächte hindurch beim Karten- oder Schachspiel; gibt es eine Aufmerksamkeit, die ernster, anstrengender und empfindlicher ist als die der Spieler? Dazu sagt man nichts, die Kinder der Welt ebenso wenig wie ihre Freunde. Wegen einer Betrachtung von einer Stunde aber, oder weil man etwas früher aufstehen musste, um zur heiligen Kommunion zu gehen, läuft alles zum Arzt, um uns von Melancholie und Gelbsucht zu kurieren. Man kann dreißig Nächte hintereinander tanzen, keiner regt sich darüber auf; aber wegen der einzigen Christmette hustet man und jammert am nächsten Tag über Leibschmerzen. Wer sieht da nicht, dass die Welt ein parteiischer Richter ist, huldvoll für ihre Kinder, hart und streng gegen die Kinder Gottes?!
Mit der Welt werden wir nur dann gut stehen, wenn wir bereit sind, mit ihr zugrunde zu gehen. Es ist unmöglich, sie zufrieden zu stellen, denn sie ist zu sonderlich. „Johannes ist gekommen“, sagt der Heiland, „er aß und trank nicht, und ihr sagt, er ist vom Teufel besessen; der Menschensohn isst und trinkt, und ihr sagt, er ist ein Fresser und Säufer“ (Mt 11,18ff). Das ist nun einmal so: Lassen wir uns aus Nachgiebigkeit herbei, zu lachen, zu spielen und zu tanzen, dann nimmt man daran Ärgernis; tun wir es nicht, dann heißt das Heuchelei und Trübsinn. Kleiden wir uns besser, dann wittert man dahinter etwas Besonderes; kleiden wir uns einfach, dann ist das unordentlich. Sind wir fröhlich, so nennt man das Ausgelassenheit; sind wir abgetötet, dann heißt man es Traurigkeit. Wir sind nun einmal den Weltmenschen ein Dorn im Auge, deshalb können wir ihnen nichts recht machen. Sie vergrößern den kleinsten Fehler an uns und posaunen ihn als große Sünde aus; aus lässlichen Sünden machen sie schwere; Fehler, die wir aus Schwäche begehen, legen sie als Bosheit aus. „Die Liebe ist gütig“, sagt der hl. Paulus (1 Kor 13,4 f), die Welt aber ist böswillig. Die Liebe denkt nichts Schlechtes, die Welt aber denkt immer schlecht, und wenn sie unsere Handlungen nicht verurteilen kann, dann wenigstens unsere Absicht. Ob die Schafe Hörner haben oder nicht, ob sie weiß oder schwarz sind: der Wolf frisst sie ohne Unterschied, wenn er sie nur zu fassen bekommt.
Die Welt wird uns immer bekämpfen, was wir auch tun. Wenn wir lang beim Beichtvater sind, wird sie fragen, was wir denn alles zu sagen hätten; sind wir nur kurz bei ihm, wird sie sagen, dass wir nicht alles beichten. Sie späht jede unserer Bewegungen aus; entschlüpft uns nur ein ungeduldiges Wort, nennt sie uns unausstehlich; kümmern wir uns um unsere Geschäfte, dann sind wir Geizhälse, unsere Güte aber nennt sie Dummheit. Bei den Kindern der Welt dagegen gibt man den Zorn als Mut aus, den Geiz als Sparsamkeit, unanständige Reden als Geselligkeit usw. Die Spinnen verderben eben immer die Arbeit der Bienen.
Lassen wir die Blinden gehen! Sie mögen schreien, soviel sie wollen, wie der Waldkauz, der die Tagesvögel schreckt. Bleiben wir fest bei unserem Vorhaben, unwandelbar in unserem Entschluss! Die Beharrlichkeit wird zeigen, ob wir uns Gott wirklich und für immer hingegeben und für ein frommes Leben entschieden haben. Kometen und Planeten haben scheinbar denselben Glanz; aber die Kometen verschwinden bald, denn sie sind nur vorübergehend aufleuchtende Feuer, der Glanz der Planeten dagegen ist beständig. Auch Heuchelei und echte Tugend sehen sich äußerlich ähnlich, sie sind aber doch leicht voneinander zu unterscheiden: Die Heuchelei kann sich auf die Dauer nicht halten, schließlich geht es ihr wie dem Rauch, der sich in der Höhe verliert; echte Tugend dagegen ist fest und beständig.
Es ist von großem Nutzen für die Festigung der Frömmigkeit, wenn wir anfangs um ihretwillen geschmäht und verleumdet werden. Das bewahrt uns vor Eitelkeit und Hochmut, die der Frömmigkeit schon in ihren Anfängen den Garaus machen, ähnlich den ägyptischen Hebammen, die vom Pharao den teuflischen Befehl erhielten, die israelitischen Knäblein am Tag ihrer Geburt zu töten (Ex 1,15ff).
Wir sind der Welt gekreuzigt und die Welt soll uns gekreuzigt sein (Gal 6,14); sie hält uns für verrückt, halten wir sie für närrisch!
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