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11. Kapitel
Zweite Erwägung: Die Erhabenheit der Tugenden.
Erwäge, dass einzig die Tugenden und die Frömmigkeit deiner Seele in diesem Leben Zufriedenheit schenken können. Sieh, wie schön sie sind. Vergleiche die Tugenden mit den Lastern, die ihnen entgegengesetzt sind: die Geduld mit der Rachsucht, die Sanftmut mit Zorn und Ärger, die Demut mit Frechheit und Ehrsucht, die Freigiebigkeit mit dem Geiz, die Liebe mit dem Neid, die Mäßigkeit mit der Ausschweifung.
Die Tugenden haben die wundersame Wirkung, dass ihre Übung die Seele mit unvergleichlicher Wonne und Freude erfüllt, während die Laster sie erschöpft und zerschlagen zurücklassen. Fangen wir also an! Warum wagen wir nicht den Aufstieg zu diesen Herrlichkeiten?
Wer von den Lastern nur einige hat, ist unzufrieden, wer viel davon hat, erst recht. Wer aber von den Tugenden nur ein wenig besitzt, empfindet daran schon Freude, die immer größer wird, je weiter er vorankommt. Frommes Leben, wie schön, wie wohltuend und lieblich bist du! Du milderst die Trübsal und vermehrst die Schönheit der Freuden. Ohne dich ist das Gute wertlos und die Vergnügungen sind voll Unruhe, Verwirrung und Schwäche. Wer dich kennt, kann wohl mit der Samariterin sagen: „Herr, gib mir von diesem Wasser!“ (Joh 4,15). Diesen Gebetsruf pflegten die heilige Mutter Theresia und die hl. Katharina von Genua oft zu sprechen, wenngleich aus verschiedenem Anlass.
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