Anweisungen und Übungen, um den ersten Wunsch nach einem frommen Leben in einen festen Entschluss umzuwandeln
Erster Teil
     
 

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5. Kapitel
Die Läuterung der Seele ist das erste.

Der Bräutigam im Hohelied spricht: „Die Blüten im Lande sind aufgegangen, die Zeit zum Reinigen und Beschneiden ist da“ (Hld 2,12). Was sind die Blüten unseres Herzens anderes als die guten Wünsche? Sobald sie sich zeigen, müssen wir das Messer zur Hand nehmen und aus unserem Gewissen alle toten und unnützen Werke entfernen. Wollte ein fremdes Mädchen einen Israeliten heiraten, so musste es das Kleid der Unfreien ablegen, Nägel und Haare beschneiden (Dtn 21,12ff). Eine Seele, die nach der Ehre einer Braut des Gottessohnes strebt, muss den alten Menschen ablegen und den neuen anziehen (Eph 4,22ff). Sie muss sich von der Sünde abkehren, alles entfernen und herausschneiden, was der Gottesliebe hinderlich und schädlich ist. Sind wir von den unreinen Säften gereinigt, so ist dies der Anfang unserer Genesung.
Der hl. Paulus wurde in einem Augenblick und vollständig geläutert; ebenso die hl. Katharina von Genua, Magdalena, Pelagia und einige andere. Eine derart plötzliche Läuterung ist ein Wunder und in der Gnadenordnung so außergewöhnlich, wie etwa die Erweckung eines Toten in der Ordnung der Natur; wir dürfen sie also nicht anstreben. Gewöhnlich geschieht die Genesung des Leibes wie der Seele nur allmählich, Schritt für Schritt, von Stufe zu Stufe, mit großem Aufwand an Mühe und Zeit.
Die Engel auf der Jakobsleiter haben Flügel, sie fliegen aber nicht, sondern steigen die Stufen auf und ab, eine nach der anderen. Eine Seele, die von der Sünde zur Frömmigkeit emporsteigt, wird mit der Morgenröte verglichen (Spr 4,18), die nicht plötzlich, sondern nur allmählich die Finsternis vertreibt. Eine Heilung, die nur langsam vor sich geht, bezeichnet der Volksmund als die sicherste. Die Krankheiten der Seele wie des Leibes kommen wie zu Pferd im Galopp, ziehen aber zu Fuß und im Schritt ab.
Bei diesem Beginnen musst du also Mut und Geduld haben. Wie bedauernswert sind doch Menschen, die nach anfänglichem Bemühen um die Frömmigkeit merken, dass sie noch mit verschiedenen Unvollkommenheiten behaftet sind, darüber unruhig, verwirrt und mutlos werden und nahe daran sind, alles aufzugeben und sich wieder der Sünde zu überlassen!
Andererseits ist für manche Menschen eine entgegengesetzte Versuchung gefährlich; sie reden sich selbst ein, dass sie schon vom ersten Tag an von allen Unvollkommenheiten frei seien; sie glauben fertig zu sein, ehe sie richtig angefangen haben; sie setzen zum Flug an, bevor ihnen Flügel gewachsen sind. In welcher Gefahr eines Rückfalls schweben doch solche Menschen, weil sie sich zu früh den Händen des Arztes entzogen haben! „Steh nicht auf, bevor es Tag geworden“, sagt der Prophet; „steh erst auf, nachdem du ausgeruht“ (Ps 127,2). Er hielt sich selbst daran; da er schon gewaschen und gereinigt war, betete er darum, es noch mehr zu werden (Ps 51,4).
Das Bemühen um die Reinigung unserer Seele kann und soll nur mit unserem Leben ein Ende finden. Regen wir uns also nicht auf über unsere Unvollkommenheiten: unsere Vollkommenheit besteht eben darin, dass wir die Unvollkommenheiten bekämpfen. Wir können sie aber nicht bekämpfen, wenn wir sie nicht sehen; wir können sie nicht überwinden, wenn wir ihnen nicht begegnen. Unser Sieg besteht nicht darin, dass wir sie nicht wahrnehmen, sondern darin, dass wir uns ihnen nicht beugen. Der aber beugt sich ihnen nicht, der sie unangenehm empfindet. Zur Übung der Demut müssen wir wohl manchmal in diesem geistlichen Kampf verwundet werden; besiegt wären wir aber erst dann, wenn wir das Leben oder den Mut verloren hätten. Unvollkommenheiten und lässliche Sünden zerstören nicht das geistliche Leben; es geht nur durch die Todsünde verloren. Eines ist also notwendig: den Mut nicht verlieren! „Befreie mich, Herr, von Feigheit und Mutlosigkeit“ (Ps 55,17f), betete David. Es ist ein Glück für uns, dass wir in diesem Krieg immer Sieger sind, solange wir nur kämpfen wollen.

 

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