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18. Kapitel
Liebeleien und Flirt.
Leichtfertige Freundschaften dieser Art zwischen Personen verschiedenen Geschlechtes ohne ernste Eheabsichten nennt man Liebeleien oder Flirt. Da sie nur Missgeburten oder Trugbilder von Freundschaft sind, verdienen sie wegen ihrer beispiellosen Leere nicht den Namen Freundschaft oder Liebe: zwei Herzen fangen Feuer und verstricken sich ineinander in dieser eitlen, unsinnigen Liebe, deren läppische Grundlage ganz gewöhnliche Äußerlichkeiten sind. Tatsächlich entwickelt sich eine solche Liebe immer weiter bis zu fleischlichen Sünden, zu abscheulicher Unzucht. Meist besteht am Anfang dazu nicht die Absicht, sonst wäre es ja auch keine Liebelei, sondern offenkundig Unzucht. Manchmal können sogar mehrere Jahre vergehen, ohne dass zwischen zwei Menschen, die in solche Verrücktheiten verstrickt sind, etwas vorkommt, was direkt gegen die Keuschheit des Leibes verstößt; aber sie verweichlichen ihr Herz durch Wünsche, Seufzer, Komplimente und ähnliche dumme Nichtigkeiten.
Die Absichten für solche Liebeleien können verschieden sein. Die einen möchten nur ihr liebedurstiges Herz befriedigen, das Liebe schenken und empfangen will. Ihre Liebe wählt nur nach Geschmack und Trieb. Treffen sie jemanden, der ihnen gefällt, dann denken sie gar nicht daran, erst seinen Charakter und seine Lebensführung zu prüfen, sondern sie stürzen sich einfach in die Verliebtheit und verstricken sich so in ihren armseligen Netzen, dass sie sich später nur mehr mit äußerster Anstrengung daraus befreien können.
Andere lassen sich in solche Abenteuer ein aus Eitelkeit; sie rechnen es sich als Ehre an, Herzen zu angeln und zu fesseln. Da sie ihre Wahl treffen, um damit prahlen zu können, legen sie ihre Netze an besonders auffälligen, sichtbaren, seltsamen und berühmten Plätzen. Wieder andere sind von Liebesdurst und Eitelkeit zugleich getrieben; sie haben ein liebesüchtiges Herz, möchten aber nebenbei auch ihre eitle Ruhmsucht befriedigen.
Alle diese Freundschaften sind schlecht, närrisch und nichtig. Schlecht, denn sie enden schließlich doch in Fleischessünden, entziehen Gott, dem Gatten, der Gattin die Liebe und das Herz, die ihnen gehören sollten. – Närrisch, weil sie keine Berechtigung haben und sinnlos sind. – Nichtig, weil sie keinen Nutzen, keine Ehre, keine Befriedigung bringen; im Gegenteil, man verliert mit ihnen seine Zeit; sie beeinträchtigen die Ehre, vermitteln keine Freude außer einem unruhigen Sehnen und Schmachten, man weiß selbst nicht, was man will. Diese armen Schwachköpfe glauben von solchen Liebesbeteuerungen immer etwas erhoffen zu können, aber was das ist, das wissen sie selbst nicht. So wird ihre Sehnsucht niemals gestillt, ihr Herz aber immer von Bangen, Eifersucht und Unruhe bedrängt.
Gregor von Nazianz spricht vortrefflich zu den eitlen Frauen (es passt aber auch gut für die Männer): „Deine natürliche Schönheit genügt für deinen Gatten; bedienst du dich ihrer jedoch gleich einem Netz, das für viele Vögel gespannt ist, um mehrere Männer damit zu fangen, was wird dann geschehen? Wer deine Schönheit bewundert, der wird auch dir gefallen; erst ist es nur ein zärtlicher Blick, den du zurückgibst, dann ein Zulächeln, ein verliebtes Wort, heimlich geflüstert, und bald schon folgt eine Vertraulichkeit, die zu offenen Zärtlichkeiten führt. Verschweige, meine Zunge, was das Ende ist! Nur dies will ich noch sagen: Keine der dummen Liebeleien dieser jungen Leute, Männer und Frauen ist frei von dem gefährlichen Stachel. Alle diese Liebeständeleien greifen ineinander und hängen zusammen, wie ein vom Magnet angezogenes Eisen wieder andere Eisenstücke anzieht.“
Wie scharf dieser große Bischof die Dinge sieht! Was willst du tun? Du willst Liebe schenken, nicht wahr? Aber niemand gibt hier freiwillig, der nicht notwendig auch empfängt; nimmt er sie an, ist er schon in diesem Spiel gefangen. Die Pflanze Aproxis fängt Feuer, sobald sie es sieht. So ergeht es auch unserem Herzen: sobald es merkt, dass ein anderer in Liebe zu ihm entflammt ist, fängt es selbst Feuer.
Vielleicht meint einer: „Ich will wohl ein wenig davon kosten, aber nicht zu weit gehen.“ Darin täuscht er sich leider. Du kannst dir nicht vorstellen, wie versengend und verzehrend dieses Feuer der Liebe ist. Du meinst, nur ein kleiner Funke sei in dein Herz gefallen, und musst erstaunt feststellen, wie dein Herz plötzlich in hellen Flammen steht, die deine guten Vorsätze in Asche legen und deinen guten Ruf in Rauch aufgehen lassen. Der Weise sagt: „Wer hat Mitleid mit einem Schlangenbeschwörer, wenn ihn die Schlange beißt?“ (Sir 12,13). So rufe ich euch zu: Ihr Narren! Glaubt ihr, die Liebe beschwören zu können, dass ihr sie nach Wunsch zu lenken vermögt? Ihr wollt mit ihr spielen, sie aber wird euch mit ihrem giftigen Biss verwunden. Und wisst ihr, was man dann sagen wird? Jeder wird sich über euch lustig machen und euch auslachen, weil ihr glaubtet, die Liebe bannen zu können, in falscher Sicherheit eine Natter an eurer Brust hegtet, die euch Seele und Ehre vergiftet und euch zugrundegerichtet hat.
Mein Gott, welche Verblendung, den besten Teil unserer Seele so leichtsinnig mit so schwachen Bürgschaften aufs Spiel zu setzen! Ja, Gott will den Menschen nur der Seele wegen, die Seele nur des Willens wegen und den Willen nur der Liebe wegen. Wir haben nicht annähernd so viel Liebeskraft, als uns nötig wäre; wir sind unendlich weit davon entfernt, Gott hinreichend zu lieben, und wir Elenden verschwenden und vergeuden unsere Liebe an so dumme, nichtige und leichtfertige Gegenstände, als ob wir ein Zuviel an Liebe besäßen. Dieser große Gott, der sich als Dank für unsere Erschaffung, Erhaltung und Erlösung die ganze Liebe unserer Seele vorbehalten hat, wird strenge Rechenschaft verlangen über diese närrischen Abwege, die wir gehen. Wenn er schon die unnützen Worte genau prüft (Mt 12,36), wie wird er es erst halten mit den nutzlosen, frechen, verrückten und unheilvollen Freundschaften!
Wenn ein Nussbaum in einem Weinberg oder in einer Wiese steht, schadet er den anderen Pflanzen, weil er bei seiner Größe der Erde viele Säfte entzieht, außerdem ist seine Krone so dicht, dass sie einen schweren, dunklen Schatten wirft. Schließlich zieht er noch die Vorübergehenden an, die rings um ihn den Boden zertreten und verwüsten, wenn sie die Nüsse herunterschlagen. Gleichen Schaden richten Liebeleien in der Seele an; sie beschäftigen und bewegen die Seele so sehr, dass sie keine Kraft mehr für das Gute hat. Die Blätter, das sind hier die Unterhaltungen, Spielereien und das Getändel, stehen so dicht, dass sie alle freie Zeit in Anspruch nehmen. Und schließlich ziehen sie so viele Versuchungen, Zerstreuungen, Verdächtigungen und andere Folgen nach sich, dass das Herz von ihnen völlig zertreten und verwüstet wird.
Mit einem Wort: diese Liebeleien verdrängen nicht nur die Gottesliebe, sondern auch noch die Gottesfurcht aus dem Herzen, entnerven den Geist, schwächen den guten Ruf; kurz, sie gelten im weltlichen Treiben als Spielerei, sind aber in Wirklichkeit eine Pest für das Herz.
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