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23. Kapitel
Die Übung der äußeren Abtötung.
Wenn man, so erzählen die Naturkundigen, auf eine ungeteilte Mandel ein Wort schreibt, sie in ihre Schale zurücklegt, sorgfältig verschließt und in die Erde pflanzt, dann wird in alle Früchte dieses Baumes dieses Wort eingegraben sein.
Nie habe ich das Vorgehen jener billigen können, die bei Äußerlichkeiten beginnen, um den Menschen zu bessern: bei Haltung, Kleidung oder Frisur. Mir scheint im Gegenteil, man muss beim inneren Menschen anfangen. „Bekehre dich zu mir“, spricht Gott, „von ganzem Herzen!“ (Joel 2,12). „Mein Sohn, gib mir dein Herz!“ (Spr 23,26). Weil das Herz die Quelle unserer Handlungen ist, werden diese so sein, wie unser Herz beschaffen ist. Der göttliche Bräutigam lädt die Seele ein mit den Worten: „Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, gleich einem Siegel auf deinen Arm“ (Hld 8,6). Ja, wahrhaftig, wer Jesus in seinem Herzen trägt, gleicht ihm bald auch in all seinen äußeren Handlungen. Darum möchte ich vor allem das erhabene und heilige Wort „Es lebe Jesus!“ in dein Herz schreiben. Ich bin sicher, dann wird dein Leben, das aus dem Herzen sprießt, wie der Mandelbaum aus dem Kern, als Früchte nur Handlungen hervorbringen, denen dieses Heilswort aufgeprägt und eingegraben ist. Wie der geliebte Jesus in deinem Herzen lebt, so wird er auch in deinen Handlungen lebendig sein, wird sein Name geschrieben stehen auf deinen Augen, auf deinem Mund, auf deinen Händen, ja, auf deinen Haaren, und du wirst mit dem hl. Paulus sagen können: „Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Jesus Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Mit einem Wort: Wer das Herz des Menschen gewonnen hat, besitzt den ganzen Menschen.
Aber dieses Herz, mit dem wir beginnen sollen, muss belehrt werden, wie es den äußeren Lebenslauf, die äußere Haltung beeinflussen soll, damit nicht nur heilige Frömmigkeit an ihnen sichtbar werde, sondern auch hohe Weisheit und großes Verständnis. Zu diesem Zweck will ich dir nun kurz einige Ratschläge geben.
Wenn du das Fasten vertragen kannst, dann tust du gut, an einigen Tagen, außer den von der Kirche vorgeschriebenen, zu fasten. Gewöhnlich bewirkt ja das Fasten eine Stärkung des Geistes, eine Zähmung des Fleisches, die Übung der Tugend und eine größere Belohnung im Himmel. Außerdem ist es ein gutes Mittel, um Herr über die Gaumenlust zu bleiben, damit aber die sinnlichen Begierden und den Leib unter das Gesetz des Geistes zu bringen. Wenn man auch nicht viel fastet, der böse Feind fürchtet es doch sehr, weil er sieht, dass wir zu fasten verstehen. Mittwoch, Freitag und Samstag sind die Tage, an denen die alten Christen zu fasten pflegten; tu desgleichen, soweit deine Frömmigkeit und dein Seelenführer dazu raten.
Ich möchte dir das gleiche sagen wie der hl. Hieronymus zu Laeta: Das lange und übermäßige Fasten missfällt mir sehr, besonders bei solchen, die noch in zartem Alter stehen. Ich weiß aus Erfahrung, dass junge Esel vom Weg abweichen, wenn sie müde werden. So wenden sich auch junge Leute, wenn sie durch ein Übermaß an Fasten geschwächt sind, gern der Verweichlichung zu. Der Hirsch kann schlecht laufen, wenn er zu feist und wenn er zu mager ist. So sind auch wir starken Versuchungen ausgesetzt, wenn unser Leib zu gut genährt oder wenn er ermattet ist. Im ersten Fall wird er in seiner Üppigkeit frech, im zweiten versagt er aus Schwäche. Wie wir ihn schwer tragen können, wenn er zu fett ist, so kann er uns nicht tragen, wenn er geschwächt ist. Die Maßlosigkeit im Fasten, Geißeln, im Tragen des Bußgürtels und anderen Kasteiungen macht bei vielen die besten Jahre unfruchtbar für den Dienst der Liebe, wie es beim hl. Bernhard geschah, der es bereute, sich zu viel kasteit zu haben. Weil sie ihren Leib früher misshandelt haben, müssen sie ihm später schmeicheln. Hätten sie nicht besser daran getan, ihn stets gleichmäßig zu behandeln, entsprechend den Aufgaben und Arbeiten, zu denen ihr Stand sie verpflichtet?
Fasten und Arbeit zügeln und beherrschen in gleicher Weise das Fleisch. Ist deine Arbeit notwendig oder der Ehre Gottes besonders dienlich, so erachte ich die Anstrengung der Arbeit für besser als die des Fastens. Das ist auch die Meinung der Kirche; sie enthebt sogar jene von der Verpflichtung der gebotenen Fasttage, deren Arbeiten dem Dienste Gottes und des Nächsten nützen. Dem einen fällt das Fasten schwer, dem anderen der Krankendienst, der Besuch Gefangener, das Beichten oder Predigen, das Trösten der Heimgesuchten, das Beten oder andere Übungen. Die Überwindung in diesen Dingen ist besser als alle Kasteiungen. Sie bändigt in gleicher Weise das Fleisch, trägt aber zugleich viele wünschenswerte Früchte. Es ist gewiss besser, überschüssige Körperkräfte zu haben, als davon mehr als notwendig abzutöten. Schwächen kann man sie immer, wenn man will, nicht aber auf Wunsch sofort wiederherstellen.
Meiner Meinung nach sollten wir große Ehrfurcht vor dem Wort Jesu an seine Jünger haben: „Esst, was man euch vorsetzt!“ (Lk 10,8). Ich halte es für tugendhafter, ohne Wahl zu essen, was man dir vorsetzt, und in der Reihenfolge wie man es anbietet, ob es dir schmeckt oder nicht, als immer das Schlechtere zu wählen. Das zweite scheint zwar strenger zu sein, im ersten liegt dennoch mehr Entsagung, denn man entsagt nicht nur seinem Geschmack, sondern auch seiner Wahl. Es ist gewiss keine kleine Überwindung für unseren Geschmack, sich allem anzupassen und alles anzunehmen; außerdem macht diese Übung kein Aufsehen, stört niemand und ist sehr förderlich für die Gemeinschaft. Ein Stück Fleisch zurückweisen, um ein anderes zu nehmen, herumzustochern und nichts gut zubereitet oder appetitlich genug zu finden, bei jedem Stück geheimnisvoll tun, das verrät ein verweichlichtes Herz, einen auf Schüssel und Fleischplatten eingestellten Geist.
Am hl. Bernhard schätze ich mehr, dass er Öl für Wasser getrunken hat, als hätte er mit Absicht Wermut genommen, denn es zeigt, dass er nicht darauf achtete, was er trank. In dieser Gleichgültigkeit für das Essen und Trinken liegt die vollkommene Erfüllung der heiligen Worte „Esst, was man euch vorsetzt“. Ich nehme allerdings Speisen aus, die der Gesundheit schaden oder sogar den Geist beschweren, wie schwere und stark gewürzte, geräucherte oder blähende Speisen, die manchen nicht bekömmlich sind. Ich nehme auch bestimmte Gelegenheiten aus, wenn unsere Natur der Erholung und Stärkung bedarf, um irgendeine Aufgabe zur Ehre Gottes zu erfüllen. Eine beständige und mäßige Nüchternheit ist besser als zeitweilig übertriebenes Fasten, dem wieder eine Zeit der Zügellosigkeit folgt.
Mäßig angewendet, besitzt die Geißel eine vorzügliche Kraft, das Verlangen nach Frömmigkeit zu wecken. Der Bußgürtel bändigt mächtig den Leib; sein Gebrauch ist aber im Allgemeinen ungeeignet für Verheiratete und für Schwächliche, auch für solche, die sonst viel Schweres zu tragen haben. An besonderen Tagen der Buße darf man ihn nach der Weisung eines klugen Seelenführers tragen.
Die Nacht soll dem Schlaf dienen. Jeder soll so viel schlafen, als seine körperliche Veranlagung braucht, um tagsüber mit frischer Kraft seiner Arbeit nachgehen zu können. Die Heilige Schrift, die Heiligen und die natürliche Vernunft empfehlen wiederholt die Morgenstunden als die besten und kostbarsten des Tages. Der Herr selbst wird die „aufgehende Sonne“ genannt (Sach 3,8; 6,12) und Unsere liebe Frau die „Morgenröte des Tages“ (Hld 6,9). Ich halte es daher für tugendhaft, abends früher zu Bett zu gehen, um früh am Morgen aufzuwachen und aufzustehen. Diese Zeit ist gewiss die schönste, angenehmste und ungestörteste. Selbst die Vögel fordern uns auf, uns zu erheben und Gott zu loben. Zeitiges Aufstehen am Morgen nützt also der Gesundheit wie der Heiligkeit.
Bileam ritt auf einer Eselin zu Balak (Num 22,21ff); weil ihm aber die lautere Absicht fehlte, trat ihm der Engel mit dem Schwert in den Weg, um ihn zu töten. Die Eselin sah den Engel und blieb dreimal nacheinander stehen, als ob sie störrisch wäre. Bileam schlug sie grausam mit dem Stock, um sie voranzutreiben, bis sie sich das dritte Mal niederlegte und durch ein großes Wunder zu reden anfing: „Was habe ich dir getan? Warum schlägst du mich schon das dritte Mal?“ Da wurden die Augen Bileams geöffnet und er sah den Engel, der ihm sagte: „Warum hast du deine Eselin geschlagen? Wäre sie nicht vor mir zurückgewichen, hätte ich dich getötet und sie laufen lassen.“ Bileam antwortete dem Engel: „Herr, ich habe gesündigt! Ich wusste nicht, dass du dich mir in den Weg stellst.“ Siehst du, Bileam selbst ist schuldig, und doch schlägt er die arme Eselin, die nichts dafür kann.
So geht es auch uns oft. Da ist eine Frau, deren Kind oder Mann krank ist; gleich beginnt sie zu fasten, Bußgürtel und Geißel anzuwenden, wie David es in einem ähnlichen Fall tat (vgl. 2 Sam 12,16). Aber, meine arme Freundin, du schlägst den armen Esel, du peinigst deinen Leib, der keine Schuld trägt, der nichts dafür kann, dass Gott sein Schwert gegen dich gezückt hat. Bessere dein Herz, das deinen Gatten abgöttisch liebt, das deinem Kind tausend Fehler durchgehen lässt und es hochmütig, eitel und ehrgeizig erzogen hat. – Ein Mann sündigt oft und schwer gegen die Keuschheit. Vorwürfe überfallen sein Gewissen gleichsam mit dem Schwert in der Hand, um ihn mit heiliger Furcht zu durchbohren. In plötzlicher Erkenntnis ruft er aus: „Du geiles Fleisch, du unbotmäßiger Leib hast mich verraten!“ Und nun züchtigt er dieses Fleisch mit Geißelhieben, mit maßlosem Fasten, mit strengem Bußgürtel. Armer Mensch! Wenn dein Fleisch reden könnte wie die Eselin Bileams, es würde dir sagen: „Warum schlägst du mich, Elender: Gegen dich, meine Seele, wendet sich Gottes Zorn. Du bist die Verbrecherin. Warum führst du mich in schlechte Gesellschaft? Warum missbrauchst du meine Augen, meine Hände, meine Lippen zur Unkeuschheit? Warum verwirrst du mich durch schlechte Vorstellungen? Erwecke gute Gedanken, dann werden meine Handlungen nicht schlecht sein; verkehre mit anständigen Leuten, und ich werde nicht von unreinen Begierden geplagt sein. Du bist es, der mich ins Feuer wirft, und willst nicht, dass ich brenne; du treibst mir den Rauch in die Augen, und willst nicht, dass sie entzündet sind.“
In diesen Fällen sagt dir Gott ohne Zweifel: „Schlage, zerbrich, spalte und zerreibe dein Herz (Joel 2,13), denn gegen dieses Herz ist mein Zorn entbrannt.“ Um einen Ausschlag zu heilen, ist es weniger notwendig, sich zu waschen und zu baden, als vielmehr das Blut zu reinigen. Um uns von unseren Fehlern zu reinigen, ist es zwar gut, das Fleisch abzutöten, besonders notwendig aber ist es, seine Wünsche zu reinigen und sein Herz zu erneuern.
Niemals und nirgends nehme man körperliche Kasteiungen auf sich ohne die Zustimmung seines Seelenführers.
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